Eine kurze Geschichte der Stadt Oranienbaum
Oranienbaums Geschichte beginnt mit dem kleinen Wendendorf Nischwitz, das 1179 erstmals zuverlässig als Besitz des Klosters Nienburg erwähnt wird. Wo sich
dieses Ursprungsdorf im heutigen Stadtgrundriss befunden hat, ist ungewiss; vielleicht gruppierte es sich um den alten Friedhof. Um das Jahr 1500 lag das Dorf Nischwitz wüst, war also nicht mehr
bewohnt. Dies blieb bis in den 30-jährigen Krieg hinein so. Die Felder waren an die Bauern des benachbarten, kursächsischen Dorfes Goltewitz verpachtet.
Eine neue Entwicklung nahm die Ortschaft erst, als die Dessauer Fürstin Agnes hier 1645 ein „festes Haus“ mit Wällen und Gräben einrichten ließ, von denen
letzte Spuren noch heute im bewaldeten Teil des Parkes zu erkennen sind. Im Jahre 1659 nahm die junge oranische Prinzessin Henriette Catharina mit ihrer Heirat nach Anhalt-Dessau den Ort
in Besitz. Seit 1673 wird er unter Verwendung ihres Adelstitels „Oranienbaum“ genannt.
Schon bald bemühte sich Henriette Catharina, dem neuen Ort auch eine wirtschaftliche Struktur zu geben. Sie ließ 1669 eine Glashütte einrichten, siedelte
Hopfenbauern und „hochfürstliche Tabakspinner“ an. Den holländischen Architekten Cornelis Ryckwaert beauftragte sie mit dem Entwurf eines musterhaften Ensembles aus Stadt-, Schloss und
Parkanlage, der ab 1683 in die Tat umgesetzt wurde. Zehn Jahre später starb Henriette Catharinas Gatte, Fürst Johann Georg II. von Anhalt-Dessau. Oranienbaum wurde ihr Witwensitz; von hier
aus regierte sie das Fürstentum fünf Jahre lang für ihren noch unmündigen Sohn Leopold.
Nach Henriette Catharinas Tod 1708 nahm die Bedeutung Oranienbaums als fürstliche Residenz spürbar ab. Der letzte, noch von ihr veranlasste Bau der großen
Stadtkirche auf einer südlichen Achsen-Erweiterung des Straßengrundrisses, eingeweiht am 4.Advent 1712, ist sozusagen der Schlussstein der barocken Stadtentwicklung. Immerhin ließ
Henriettes Urenkel, Fürst Franz, 1793-97 den barocken Inselgarten zu einem chinoisen Ensemble im englischen Geschmack umgestalten und veranlasste gegen Ende seiner Regierungszeit den Bau einer
großen Orangerie.
Die wirtschaftliche Entwicklung orientierte sich zunächst noch am fürstlichen Privileg: Henriette Catharina hatte 1693 eine erste Tabakplantage und ein
Brauhaus errichten lassen. 1695 verlieh sie dem Ort Marktrechte. Mit der südlichen Stadterweiterung beim Bau der Stadtkirche entstanden 1709 die ersten zwölf brauberechtigten Häuser. Mitte des
Jahrhunderts gab es in Oranienbaum schon 53 brauberechtigte Bürger - mehr als in der Residenzstadt Dessau. Henriette Catharinas Sohn privilegierte 1711 eine Tuchmanufaktur am Markt und ließ 1734
sogar die überregional bedeutsame Dessauer Broyhan-Brauerei nach Oranienbaum verlegen.
Zum Tabakanbau und der allein häuslichen Produktion gesellten sich im 19.Jahrhundert bürgerliche Manufakturen und erste Fabrikationen, die im größeren Umfang
Tabak weiterverarbeiteten. Die Fabrik von Ephraim Schulze war 1824 die erste ihrer Art. Gegen Ende des 19.Jahrhunderts gab es 24 kleinere und größere tabakverarbeitende Betriebe. Bis in
die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg herrschte, obwohl in großem Maßstabe produziert und auch exportiert wurde, immer noch Handarbeit vor. So waren 1907 in den Tabak- und Zigarrenfabriken 166
Arbeiter beschäftigt. Über die Hälfte der Einwohnerschaft ernährte sich zusätzlich noch aus der Tabakproduktion, indem sie in Hausarbeit Wickel herstellte, die dann in den Fabriken zu Zigarren
weiterverarbeitet wurden.
Die politische Entwicklung hielt mit der wirtschaftlichen zunächst nicht Schritt. Das 1819 neu gegründete Justizamt Oranienbaum für die gesamten
rechtsmuldischen Gebiete Anhalt-Dessaus stellte die Stadt immer noch unmittelbar unter die fürstliche Aufsicht eines Justizamtmannes. 1824 kam es wegen des Schulbaus zu tumultartigen
Auseinandersetzungen, in deren Folge erstmals vier „Bürgerrepräsentanten“ zugelassen wurden, die in städtischen Angelegenheiten Mitspracherecht erhielten. Aber erst mit der neuen Städteordnung
1848/49 wurden ein Stadtparlament und ein städtischer Bürgermeister gewählt.
In den 1870er Jahren setzte mit dem Wirken aktiver Bürgermeister ein enormer wirtschaftlicher Aufschwung ein. Die Stadt wurde 1876 Sitz eines Amtsgerichtes,
1883 erschien erstmals eine eigene „Oranienbaumer Zeitung“, seit 1894 hielt hier die Dessau-Wörlitzer Eisenbahn. Die Bahn beförderte nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung, sondern vor allem
auch den Zustrom an auswärtigen Besuchern. Aus den immer zahlreicher werdenden Kinderlandverschickungen mitteldeutscher Großstädte folgte schließlich 1906 die Einrichtung der „Kinderheilstätte
Herzogin Marie“ für Schwindsuchtkranke.
Oranienbaum profilierte sich um die Jahrhundertwende als Luftkurort und eröffnete ein eigenes Kurhaus. Die zu Geld gekommenen Kommerzienräte, Fabrikanten und
Geschäftsleute trugen ein reges geselliges Leben mit zahlreichen Vereinen, die noch bis zum Ende des 2.Weltkrieges ihre Aktivität entfalteten. Die Tabakverarbeitung gewann nach 1945 mit der
maschinellen Herstellung von Zigaretten noch einmal kurzzeitig an Umfang und wurde erst 1968 gänzlich eingestellt. Auf dem Gelände der noch von den Nationalsozialisten eingerichteten
Munitionsfabrik Kapen in der Oranienbaumer Heide vor den Toren der Stadt etablierte sich nach 1990 ein Industrie- und Gewerbepark mit zahlreichen neuen Arbeitsplätzen.
Kompakt wird die Stadtgeschichte dargestellt im DKV-Kunstführer Nr.563: "Stadt und Stadtkirche Oranienbaum" von Frank Dittmer (Deutscher Kunstverlag, München). Dort
findet sich neben einem Stadt-Rundgang auf dem Denkmalpfad auch eine ausführliche Beschreibung der Stadtkirche, ihrer Geschichte und Ausstattung.